Ist die Sehnsucht nach einem lebendigen inneren Prozess, welcher mich aus
den bisherigen Lebens-Strukturen herausheben wird, grösser, als die Angst
vor der Verurteilung der Menschen und der alten Welt?
Die Angst vor der Verurteilung von den Menschen orientiert sich nicht an
der Wahrheit, sondern einfach an der Unwissenheit falscher Übereinkünfte,
die über viele Leben angenommen und ins innere System integriert wurden.
Der Weg der Freiheit nimmt keine Referenz mehr aus der Vergangenheit, auch
nicht an den begrenzten Lehrern aus vielen Generationen, und fordert die
Einstellung der Orientierung an den Menschen und dem eigenen denkenden
Geist, der diese Verständnisse der Masse internalisiert hatte. Die Würde
der Seele ruft zu einer radikalen und augenblicklichen Zurückweisung des
Gefängnisses der Erwartungen anderer auf.

Ich fordere etwas von der Zeit, habe persönliche Erwartungen in ihr. Ich
möchte etwas für mich…. Und alles um mich herum, die gesamte Schöpfung,
gibt sich bedingungslos hin. In dieser Schau zerfällt dieses isolierte
Inseldasein.

Die Wucht der Wahrheit trifft immer auf ein Gefäss, das zu klein ist, sie
aufzufangen. Wir leben in einem viel zu engen Gefäss. Dass man die
Begegnung mit Wahrheit als zu intensiv empfindet bedeutet eigentlich, dass
man sie nicht in ihrer Vollständigkeit will. Es wird immer Rückschläge des
Widerstandes geben. Doch wenn man sich der Wucht ergibt, ist nur noch
glückselige Erfüllung die Folge.

Pita na sa syat svajani na sa syat (Srimat Bhagavatam 5.5.18)
Wenn die Mutter wissen würde, wer sie ist, gäbe es einen Punkt, wo das
Bewusstsein des Kindes eine bestimmte Reife erlangt hat, wo sie dem Kind
sagen müsste: Ich bin nicht deine wahre Mutter. Du darfst nun weiter gehen
und deinen wirklichen Ursprung, zu dem du eine dauerhafte Verbindung hast,
aufsuchen.
Sie würden das Kind aufklären, dass die Beziehung in dieser Form gelöst
werden darf, da sie in der Realität nicht existiert. „Du hast aber einen
wahren Vater und eine wahre Mutter.“

Die Blutsfamilie ist nicht die wirkliche Familie.
Zu Beginn meines Lebens war die Familie das Nährende und Fördernde für
diesen hilflosen Organismus und somit auch der körperliche Schutz.
Die wenigsten Menschen sind bereit, den Zeitpunkt zuerkennen, wo sie bereit
sein müssten, da herauszuwachsen. Dieses bewahrende Prinzip setzt sich dann
einfach in einem fort und hält einen fest. Was in der
Entwicklungsgeschichte einst unerlässlich war, wird nun zur einschränkenden
Bindung, denn das Ego der Eltern, die selber nicht frei sind, unterstützt
einen nicht darin, in die Unbegrenztheit zu erwachen. Die Eltern wollen ja
selber etwas von den Kindern und möchten den Nachwuchs auch noch für sich
haben.
So verbleibt man meist ein Leben lang im Zustand der Verstrickung und
Anhaftung, und die umfassendere Freiheits-Sicht bleibt verborgen.
Wenn die Seele den Ruf Gottes nicht hört: „Lass nun alles los und geh
weiter“, dann kehrt sich das ursprünglich bewahrende und mütterliche
Prinzip ins Gegenteil um und wird zu einem Gefängnis innerer Enge, zur
Regression auf die Körperebene.
Die Blutsfamilie diente dem Überleben des Organismus, aber nicht dem
Erwachen der Seele.

wunderschön und erstaunlich, wie sich Sri Krishna seinen Weg ins
menschliche Herz bahnt.
All die kleinen Scheinhindernisse (wie moralische Unperfektheit etc… )
vermögen seine Sehnsucht nach dieser einzigartigen Liebe, die ihm nur diese
eine Seele und keine zweite zu geben imstande ist, nicht mehr aufhalten.

Ein verwirklichter Mensch weiss zutiefst, keine Wahl mehr zu haben. Die
Schönheit Radha-Krishnas hat übernommen.
Diejenigen, die andauernd glauben, persönliche Entscheidungen des freien
Willens treffen zu dürfen, erleiden die Illusion einer relativen Freiheit,
die in Wirklichkeit Gebundenheit ist.

Wenn man über die unglaubliche Bemühung der grossen Heiligen nachsinnt, die
Liebe zu Radha Krishna bis in jede Ritze unseres Wesens eindringen zu
lassen, kann man nur noch staunen über die Hartnäckigkeit des Widerstandes
der Eigensinnigkeit (auf sich selbst gestellt, Sinn kreieren zu wollen).
Nur schon das Gedenken an sie erweckt in uns die Dankbarkeit und somit
erweicht alles….

Ich erinnere mich immer wieder an einen Mann, der mit seiner Familie im
Getto lebte. Eines Tages kamen die Nazis und zerrten ihn und seine Familie
auf die Strasse. Vor seinen Augen erschossen sie seine ganze Familie. Frau,
Kinder, Eltern…dieser Mann stand da, und ein ganz tiefes Gewahrsein,
sagte ihm: Entweder wirst du verrückt, oder du ergibst dich…
Es war dieser Mann, den man lachend im Konzentrationslager fand, als die
Alliierten die Juden befreite…er hatte sich ergeben…

In der Unruhe und dem Chaos des äusseren Lebens und der dunklen
Verzweiflung im Innern ist es jederzeit möglich, zur Seite zu treten, um
Krishna einen Besuch abzustatten.
So wie im Auge des Hurrikans Ruhe ist und über den Wolken ein blauer Himmel
strahlt, kann man in den Dschungel unseres menschlichen Willens eine kleine
Lichtung schlagen für ein Rendezvous mit Ihm.